Von Credit Suisse bis Signa: was hinter den Engagements des saudischen Staatsfonds steckt (2024)

Gut möglich, dass vom saudischen Staatsfonds (PIF) im Rahmen der Signa-Pleite noch einiges zu hören sein wird. Immerhin gehört dem Fonds ein Viertel der britischen Selfridges-Warenhäuser, für die nun – wie für die KaDeWe-Gruppe und Globus – eine Lösung gesucht wird. Was steckt hinter Mohammed bin Salmans Investment-Vehikel?

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Als René Benko, der einstige Finanz-Wunderwuzzi aus Österreich, mit seiner Signa-Gruppe bereits am Abgrund stand, war mit einem Mal offenbar doch noch Rettung in Sicht. Die Saudi würden den gescheiterten Investor raushauen, jubelten österreichische Zeitungen im November. Doch die Freude kam zu früh. Am Ende überlegten es sich die reichen Golfaraber anders – und liessen Benko fallen.

Dass die Saudi als potenzielle Geldgeber genannt wurden, hat einen guten Grund: Sie sind bereits in Benkos Konstrukt investiert. Der staatliche Public Investment Fund (PIF) finanzierte 2023 die vier Milliarden Pfund schwere Übernahme der britischen Warenhauskette Selfridges mit. Benko hatte heimlich einen Teil seines Anteils an den PIF weiterverkauft, weil seiner Signa-Gruppe das nötige Geld fehlte. Seinen Partner, die thailändische Central Group, liess er darüber im Dunkeln.

Aggressiv auf Expansionskurs

Der Mega-Fonds aus dem Wüstenkönigreich gilt längst als gewaltige Investitionsmaschine. Mit einem Volumen von rund 720 Milliarden Dollar verfügt er über eine der grössten Kriegskassen der Welt. Und er zögert offenbar nicht auch nicht lange, wenn es darum geht, das Portemonnaie zu zücken.

Denn während andere Staatsfonds 2023 beim Investieren eher zurückhaltend waren, gingen die Saudi auf Shopping-Tour. So stand der PIF hinter den drei grössten Deals des Jahres. Im April pumpte er 4,9 Milliarden Dollar in die Game-Firma Scopely. Zudem kaufte er das Flugzeug-Leasing-Geschäft von Standard Chartered und übernahm die Stahl-Sparte des saudischen Industriegiganten Sabic.

Nur: Was wollen die Saudi? Und warum ist ihr Staatsfonds dermassen aggressiv auf Expansionskurs, dass er inzwischen so gut wie alles kauft – von Tech-Unternehmen über Beteiligungen am Luxus-Autohersteller Aston Martin bis hin zu Anteilen am Flughafen Heathrow in London?

Saudiarabien wolle sein Portfolio diversifizieren, sagt der Golf-Experte Tim Callen vom Gulf States Institute in Washington. Der ehemalige Missionschef des Internationalen Währungsfonds (IMF) in Riad kennt die saudische Wirtschaft und schreibt immer wieder über den PIF. «Die Saudi haben es in erster Linie auf Technologieunternehmen abgesehen», sagt er. «Sie erhoffen sich davon positive Effekte für ihre eigene Wirtschaft.»

Immer wieder verbrannten die Saudi Milliarden

Gleichzeitig würden sie bei Gelegenheit aber auch anderswo zugreifen. «Vor allem nach dem Ende der Corona-Pandemie boten sich in Europa gute Gelegenheiten», sagt Callen. Riad verfüge dank dem Ölpreis-Boom der letzten Jahre über prall gefüllte Geldkoffer. «Gut möglich, dass die Saudi deshalb bereit sind, mehr Risiko einzugehen. Im Vergleich zu anderen Staatsfonds hat der PIF offenbar weniger Hemmungen.»

Allerdings greift er dabei auch immer wieder daneben. So schrieb der 2017 vom PIF gemeinsam mit der japanischen Softbank-Group aufgelegte Vision Fund, welcher in Tech-Firmen wie Uber oder Wework investierte, Rekordverluste. Und im vorletzten Jahr verbrannte die zum grossen Teil vom PIF gehaltene Saudi National Bank (SNB) Milliarden, als sie kurz vor deren Ableben nochmals in die marode Credit Suisse investierte.

Das alles trägt dazu bei, dass der PIF auch als eine Art Geldautomat gesehen wird, bei dem alle möglichen Firmen mit Liquiditätsbedarf anklopfen. Doch das scheint die Machthaber in Riad nicht zu stören. Verluste können sie offenbar verkraften. Denn bei der Strategie des PIF geht es um weit mehr als Rendite. Der Fonds soll nicht weniger als die saudische Wirtschaft revolutionieren.

Riad will vom Öl unabhängig werden

Lange Jahre galt der 1971 gegründete PIF als diskreter Parkplatz für das Erdölgeld des einst stockkonservativen Königreichs. Doch als 2015 der junge, ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman die Macht übernahm, änderte sich das. Bin Salman will Saudiarabiens Wirtschaft vom Öl unabhängig machen und sieht den PIF als ideales Werkzeug dazu. Deshalb wurde der Fonds neu aufgestellt und mit genug Geld ausgestattet.

Heute ist er ein wichtiger Teil der «Vision 2030» – jenes ambitionierten Zukunftsplans, mit dem der Prinz sein Land in eine moderne Dienstleistungswirtschaft und eine Tourismus-Grossmacht verwandeln will. Die Saudi investieren deshalb nicht nur in Unternehmensbeteiligungen. Ihr Staatsfonds stieg auch beim englischen Fussballklub Newcastle United ein und finanzierte die Übernahme der Golftour PGA. «Dabei geht es um Einfluss und um globale Sichtbarkeit», sagt Callen.

Vor allem aber investiert der PIF in Saudiarabien selbst. Über 70 Prozent seiner Ausgaben tätigt er dort. So pumpt der Fonds Milliarden in die saudische Fussballliga und finanziert die Saläre von Stars wie Cristiano Ronaldo, Neymar oder Karim Benzema. Daneben besitzt er lokale Banken, Tech-Unternehmen, Investmentfonds für Startups und sogar Industrie- und Rüstungsbetriebe.

Die Strategie des Fonds ist Chefsache

Die gewaltigen Megaprojekte, mit denen bin Salman sein Land in die Zukunft katapultieren will – wie die neu zu errichtende Retortenstadt Neom oder die grossen Tourismus-Resorts am Roten Meer –, werden ebenfalls durch den PIF finanziert. «Ziel dieser Investitionen ist es, Wachstum zu generieren», sagt Callen. «Zudem hoffen die Saudi, dass die Grossprojekte dereinst sogar Investoren anlocken.»

Noch ist es aber nicht so weit – und Riad muss vor allem draufzahlen. So machte der PIF 2022 offenbar einen Verlust von 11 Milliarden Dollar. Im Jahr davor erzielte er jedoch einen Gewinn – allerdings auch wegen des hohen Ölpreises. Bin Salman ist eben immer noch von jenem Stoff abhängig, von dem er sich eigentlich lösen will. Das gilt auch für den PIF. Denn der Fonds finanziert sich unter anderem daraus, dass er Anteile an Saudi Aramco hält, der grössten Ölfirma der Welt.

Entsprechend ist die strategische Ausrichtung des Fonds Chefsache. Offiziell wird er von Yasir al-Rumayyan geführt, einem ehemaligen saudischen Banker. Beobachter vermuten jedoch, dass die wichtigen Entscheidungen vom Kronprinzen selbst gefällt werden. «Gleichzeitig findet in Saudiarabien aber eine Professionalisierung statt», sagt Callen. «In Institutionen wie dem PIF arbeiten jetzt kompetente Leute, und es herrscht eine offenere Diskussionskultur als früher.»

Bin Salman will den PIF weiter ausbauen

Bin Salman führt Saudiarabien jedoch mit harter Hand. So hat er es einerseits zwar von oben herab geöffnet, Frauen das Autofahren gestattet und Pop-Konzerte ins zuvor stockkonservative Land geholt. Andererseits lässt er Kritiker wegsperren. Zudem zehrt er bis heute am Mord des Journalisten Jamal Khashoggi, der 2016 in Istanbul von saudischen Agenten zerstückelt wurde. Der Vorfall ruinierte bin Salmans Ruf im Westen nachhaltig.

Zu Hause hingegen ist der Kronprinz beliebt. Das liegt nicht zuletzt auch am PIF. Denn der Fonds sorgt nicht nur dafür, dass etwa der Fussballklub al-Nasr in Riad mit Spielern wie Cristiano Ronaldo und Sadio Mané auflaufen kann. Auch in der Startup-Szene und im boomenden Kulturbereich ist er oftmals der alleinige Financier. Wer in Riad nach jenem Geld sucht, welches all die neuen, hippen Startups oder Designstudios möglich macht, landet am Ende fast immer beim PIF.

Hat so ein Modell eine Zukunft? «Das ist die Milliarden-Dollar-Frage», sagt Callen, der die Wirtschaftlichkeit vieler Projekte kritisch sieht. Bin Salman lässt sich von seinem Traum jedoch nicht abbringen. Er will den PIF bis 2030 auf ein Volumen von 2 Billionen Dollar anwachsen lassen. Vor kurzem kündigte er deshalb an, weitere 8 Prozent der Anteile von Aramco an den Fonds zu übertragen. «Es ist damit zu rechnen, dass die Saudi deshalb weiterhin in grossem Stil investieren werden», sagt Callen.

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