Ende der Credit Suisse: Was hat die Schweiz gelernt? Wo seht die Grossbank UBS? (2024)

Kommentar

Ein Jahr nach dem Untergang vermag das Ende der Credit Suisse kaum noch jemanden im Land zu bewegen. Das ist schlecht – weil die Schweiz dringende Aufräumarbeiten bewältigen muss.

Chanchal Biswas

24 Kommentare

6 min

Neue Vorlese-Stimmen

Eine verbesserte Vorlesefunktion steht zur Verfügung. Probieren Sie es aus!

Drucken

Ein Jahr nach dem Ende der Credit Suisse lässt sich nur eines mit absoluter Sicherheit sagen: Das Ende des 167-jährigen Instituts, der Kreditanstalt, die Alfred Escher gegründet hatte, hat kein nationales Trauma ausgelöst.

Das hat mit drei Dingen zu tun. Mit fehlenden Bildern, mit dem operativen Geschäft und letztlich auch mit dem Ansehen der Banker.

Das zeigt der Vergleich mit dem Grounding der Swissair im Jahr 2001. Die Bilder der zwangsparkierten Flotte, Heckflosse an Heckflosse am Flughafen Zürich, haben sich ins Schweizer Gedächtnis gebrannt. Ebenso die Fotografie des gestrandeten Piloten am Strand von Rio de Janeiro – oben Uniformhemd und Kapitänsmütze, unten Badehose.

Das ist vielleicht der eklatanteste Unterschied. Am Montag, 20.März 2023, dem Morgen nach der staatlich unterstützten Übernahme der CS durch ihre Rivalin UBS, ging alles seinen normalen Lauf: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gingen ins Büro. Die Schalter der Credit Suisse öffneten normal. Und Geld konnten die Bankkunden auch beziehen.

Null Drama. Keine Bilder ausser jene der Medienkonferenz am Vorabend in Bern mit Vertretern von Bundesrat, Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und den beiden Banken.

Nach der Swissair musste sofort die Swiss her

Bei der Swissair dagegen gab es Tränen, Trauer und Kundgebungen der Solidarität mit dem Personal des fliegenden Nationalheiligtums. Sie gipfelten in einem kollektiven Gefühl der Dringlichkeit: Eine neue nationale Fluggesellschaft musste sofort her, koste es, was es wolle. Schliesslich war die Anbindung der Schweizerinnen und Schweizer an die grosse Welt kollabiert. Es entstand die Swiss.

Gleichzeitig ging im Kleinen ein Run auf Swissair-Memorabilien los, verkörpert durch den ikonischen Trolley, der nun statt in der Flugzeugkabine in der Altbauwohnung steht. Ein Stück Einrichtung gewordene Sehnsucht nach der guten alten Zeit.

Stand jetzt darf man davon ausgehen, dass kein Kult um Credit-Suisse-Andenken ausbrechen wird. Die SKA-Skikappe, die vor einigen Jahren noch von Retro-Liebhabern gesucht war, hat im Winter nach dem Untergang der Bank jedenfalls kein Comeback gefeiert.

Die CS-Banker produzierten während Jahren einen milliardenteuren Unfall nach dem anderen. Nie aber gestand jemand persönlich seine Schuld daran ein. Und gleichzeitig war die Höhe des Bonus für sie kaum verhandelbar, ausser nach oben natürlich.

Zu behaupten, dass es um das Image des Schweizer Bankers seit längerem nicht zum Besten stehe im Land, fällt leicht. Er taugt nicht einmal mehr als Bösewicht, mit dem sich Politik machen lässt. Wie sonst ist es zu erklären, dass das unrühmliche Ende der Credit Suisse in den nationalen Parlamentswahlen im Herbst 2023 kaum Thema war?

Der Fallout der Integration kommt noch

Auch jetzt, ein Jahr nach dem Untergang, herrscht eine erstaunliche Ruhe rund um die UBS. Der Schweiz scheint der Sinn für die Dringlichkeit, die Probleme rund um die einzig verbliebene Grossbank anzupacken, abzugehen.

Vordergründig ist auch nicht viel passiert: Am Tag nach der Rettung gingen nicht nur die Bankschalter auf wie gewohnt, auch die Finanz- und Kapitalmärkte funktionierten, als sei (fast) nichts gewesen. Und bis jetzt ist es auch nicht zu dem personellen Kahlschlag bei der Credit Suisse gekommen.

Dieser müsste eigentlich zwangsläufig passieren, schliesslich gehen zwei ähnlich grosse Spieler mit ähnlichen Geschäftsfeldern und der gleichen Heimat zusammen. Trotzdem rechnet die UBS – nachdem schon vor dem Untergang Tausende das CS-Schiff freiwillig verlassen haben und Pensionierte nicht ersetzt werden – mit nur 3000 Entlassungen in der Schweiz.

Bis jetzt scheint der Schweizer Arbeitsmarkt diese Kräfte ohne weiteres aufnehmen zu können. Aber je weiter die UBS mit der Integration voranschreitet und je mehr Massnahmen sie auf der Kostenseite konkret trifft, desto schwieriger wird die Situation werden. Laut dem UBS-Chef Sergio Ermotti werden diese Aufräumarbeiten noch bis mindestens 2026 dauern.

Schweiz als Heldin der Finanzmärkte

Dass das Verschwinden der Credit Suisse bis jetzt einigermassen geräuschlos vonstattengeht, haben die Schweiz und die Welt der UBS zu verdanken. Wäre sie nicht – auf Bitten der Behörden – zu Hilfe geeilt, hätte es noch zwei Optionen gegeben: eine Abwicklung der Credit Suisse nach dem sogenannten «Too big to fail»-Regelwerk für global systemrelevante Banken, oder eine vorübergehende Verstaatlichung der Grossbank.

Eine Abwicklung hätte wahrscheinlich ein Erdbeben an den weltweiten Finanzmärkten ausgelöst. Die Grossbank wäre implodiert, Finanzwerte, Firmenteile und Stellen wären verschwunden. Gut möglich, dass die CS auch andere Banken auf der Welt mitgerissen hätte.

Und nach einer Verstaatlichung hätte die Schweiz bald nur noch eine Rumpf-Grossbank auf Basis der Schweizer Einheit gehabt, die nichts mehr mit der alten Credit Suisse gemein gehabt hätte.

Doch das alles ist nicht passiert. «Die Schweiz war nach dem 19.März 2023 die Heldin der Finanzmärkte», sagt ein Banker, um gleich nachzuschieben, dass sie sich vorher in der Branche zum Gespött gemacht habe.

Im Prinzip war schon im Herbst 2022 absehbar, dass die Credit Suisse nicht als eigenständige Bank in ihrer bestehenden Form überleben würde. Die Behörden und Aufseher, vom Finanzdepartement über die Nationalbank bis zur Finanzmarktaufsicht, wollten die Credit Suisse zwar dazu zwingen, etwas zu unternehmen, zum Beispiel einen Plan B zu entwickeln. Doch die Bank entzog sich offenbar dem Zugriff.

Das darf nicht mehr passieren, beim nächsten Mal, wenn eine Bank in der Schweiz in Nöte gerät, müssen die drei Akteure früher und mit vereinten Kräften das Führungspersonal in die Pflicht nehmen.

Vor diesem Hintergrund sind die politische Aufarbeitung und vor allem die Arbeit der Parlamentarischen Untersuchungskommission von grosser Bedeutung. Diese wird ihre Ergebnisse wohl in der zweiten Jahreshälfte vorlegen und – davon muss man ausgehen – ein Bild des Zögerns und Zauderns zeichnen. Daraus müssen die Akteure lernen. Gerade weil die Schweiz keine Grossbank mehr hat, die künftig einer UBS beistehen könnte.

Die Frage nach der richtigen Menge Kapital

Bei allen Versäumnissen, welche man den Schweizer Behörden ankreiden kann, darf man eines nicht vergessen: Es war die Führung der Bank selbst, welche die Credit Suisse in den Abgrund riss. Und so kommt auch heute und in Zukunft dem UBS-Spitzenpersonal die grosse Aufgabe zu, das Geschäft umsichtig zu führen.

Zum einen muss die UBS beweisen, dass sie den Schweizer Markt ernst nimmt. Damit sind weniger die Retail-Kunden gemeint, die in einem Land mit einer breiten Auswahl an Regional-, Raiffeisen- und Kantonalbanken eher über- statt unterversorgt sind.

Es geht vielmehr um die Firmenkunden, die – so heisst es jetzt schon nostalgisch – mit den CS-Beratern Vertreter einer grossen Unternehmerbank auf ihrer Seite wussten. Jetzt, wo es an den Märkten und in der Wirtschaft ziemlich ordentlich läuft, springen die Auslandbanken in der Schweiz noch so gerne in diese Bresche und finanzieren Unternehmen und ihre Geschäfte.

Aber der Lackmustest wird erst dann kommen, wenn das Land oder die weltweiten Märkte in der Krise stecken. Es ist zu befürchten, dass die Auslandbanken das Interesse am Schweizer Markt verlieren werden – und die Schweizer Firmen dann wieder vermehrt auf die UBS angewiesen sind.

Zum anderen – und das ist eines der grossen Fragezeichen für die UBS – ist ein Konflikt unausweichlich: Die Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fühlen sich umso sicherer, je dicker das Kapitalpolster der UBS ist. Für die Bank und ihre Aktionäre bedeuten strengere Kapitalvorschriften aber auch weniger Wachstums- und Gewinnpotenzial, das realisiert werden kann.

Während Grossbankenkritiker am liebsten so strenge Kapitalanforderungen stellen würden, dass die Bank von alleine mitsamt ihren Mitarbeitern und allem Steuersubstrat wegzieht – und damit kein Risiko mehr für den Staat darstellt –, sagt der UBS-Chef Sergio Ermotti mit Blick auf die mächtige Konkurrenz der amerikanischen Banken in aller Klarheit: Man sei nicht zu gross, um zu scheitern, sondern zu klein, um zu überleben.

Kulturelle Fehler kann man nicht wegregulieren

Es ist letztlich das Verhalten der Banker, das das Risikoprofil einer Bank prägt. Man könne kulturelle Fehler nicht wegregulieren, sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Abend der Rettung der CS. Es ist die wichtigste Aufgabe der UBS-Spitze, eine global tätige Grossbank unternehmerisch erfolgreich zu führen, ohne auf CS-Pfade zu geraten und ohne – wie 2008 – auf Schweizer Staatshilfe angewiesen zu sein.

Nach dem Swissair-Grounding und zwei Bankenrettungen in anderthalb Jahrzehnten ist den Schweizerinnen und Schweizern der Geduldsfaden gerissen. Die Entfremdung zwischen Volk und Wirtschaftselite, die sich zunehmend auch an Abstimmungswochenenden manifestiert, ist real. Auch vor diesem Hintergrund wäre die UBS gut beraten, demütig zu bleiben und Bodenhaftung zu bewahren – so wie es die UBS-Spitze um Sergio Ermotti und den Verwaltungsratspräsidenten Colm Kelleher immer wieder verspricht.

Ob ihre mit grossem Ernst vorgetragenen Worte etwas verändern beim Volk? Es wäre der UBS zu wünschen. Es wäre ihr, allen anderen Banken, Dienstleistern und Produzenten zu wünschen, dass die Schweizerinnen und Schweizer – die eine zunehmende Lust an Umverteilung und Staatsverschuldung an den Tag legen – auch wieder vermehrt anerkennen, wo Wohlstand und Steuergeld herkommen: von der Wirtschaft, von ihren Firmen und den Mitarbeitern. Damit wäre schon viel gewonnen. Demonstrativ SKA-Kappen zu tragen brauchen sie dafür nicht.

24 Kommentare

Urs Keiser

18 Empfehlungen

Ja, die Schweiz muss Aufräumarbeiten bewältigen. Die ganze Schweiz, inklusive unserer Regierung, welche sich immer mehr Freiheiten für sich herausnimmt.Die Stimmbürger müssen halt auch wieder die Initiative ergreifen, sowohl bei den Wahlen wie auch bei den Abstimmungen. Die Regierung muss wieder lernen seriös und verantwortungsvoll für die Zukunft der Bevölkerung unseres Landes zu handeln. Es geht nicht, einfach für jede Klientelschaft Geld rauszuballern und dann höhere Steuern einzufordern. Sorgsamer Umgang mit dem Geld der Steuerzahler ist die Basis damit die Demokratie zusammenhält, Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger ist die Basis.

18 Empfehlungen

A. F.

15 Empfehlungen

Man schaue sich den Fall Raiffeisen an, wo es nicht um das Überleben der Bank ging und wie man mit den Verantwortlichen umgesprungen ist. Dann vergleiche man mit dem Fall CS und man weiss Bescheid. Im Fall CS gibt es weder Klagen noch U-Haft für einen einzigen Verantwortlichen!

15 Empfehlungen

Passend zum Artikel

Die Credit Suisse und der fehlende PlanB: So hätte die Bank nicht enden müssen Eine Recherche der NZZ zeigt, wie unvorbereitet die CS-Führung in den Abgrund stürzte. Rückblick auf das letzte Wochenende einer Schweizer Institution.

Florian Schoop, André Müller (Text), Andrin Engel (Illustration) 13 min

Niemand will schuld sein am Credit-Suisse-Untergang: «Die grossen Probleme kamen nach mir» Walter Kielholz, Tidjane Thiam, Brady Dougan, David Mathers und Urs Rohner sind Teil einer Managerriege, die die über 150-jährige Credit Suisse in den Untergang führte. Verantwortung dafür will niemand übernehmen – obwohl sie in den letzten zwanzig Jahren wichtige Weichen bei der Credit Suisse falsch stellten.

Zoé Baches, André Müller, Andrin Engel (Illustration) 16 min

Kommentar Das Ende der CS: Ein Zombie ist weg, doch eine Monster-Bank entsteht Der Staat solle nie mehr eine marode Bank stützen müssen, hiess es vor 15 Jahren nach der Finanzkrise. Jetzt ist der Ernstfall da – und doch darf die Credit Suisse nicht untergehen. Vielmehr wird die UBS durch deren Übernahme erst recht «too big to fail».

Christoph Eisenring 4 min

Ende der Credit Suisse: Was hat die Schweiz gelernt? Wo seht die Grossbank UBS? (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Saturnina Altenwerth DVM

Last Updated:

Views: 5947

Rating: 4.3 / 5 (64 voted)

Reviews: 87% of readers found this page helpful

Author information

Name: Saturnina Altenwerth DVM

Birthday: 1992-08-21

Address: Apt. 237 662 Haag Mills, East Verenaport, MO 57071-5493

Phone: +331850833384

Job: District Real-Estate Architect

Hobby: Skateboarding, Taxidermy, Air sports, Painting, Knife making, Letterboxing, Inline skating

Introduction: My name is Saturnina Altenwerth DVM, I am a witty, perfect, combative, beautiful, determined, fancy, determined person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.