Investmentfonds sind die bessere Lebensversicherung (2024)

Theoretisch steckt in jedem Anleger ein kleiner hom*o oeconomicus, der geschwind merkt, ob es für eine Anlage nicht vielleicht doch ein besseres Angebot gibt als das, was ihm gerade jemand vorgelegt hat: „Hier unterschreiben, bitte.“ Theoretisch. Im wahren Leben werden dagegen Jahr für Jahr hunderttausende Vorsorgeverträge unterschrieben, die schlicht schlecht sind. Sehr schlecht sogar, wenn man sie an ihren einfachen und besseren Alternativen misst. Die fondsgebundene Lebens- oder Rentenversicherung zum Beispiel.

Sie ist viel zu teuer für einen rentablen Vermögensaufbau. Ein simpler ETF-Sparplan schafft das besser. Und die Gesamtrechnung wird für die Lebensversicherer auch nicht von den Steuervorteilen ihrer Verträge gerettet. Nur in einem sind Fondspolicen und ETF-Sparpläne gleichwertig: Der Anleger trägt das gesamte Anlagerisiko. Beim ETF-Sparplan weiß das jeder, bei der fondsgebundenen Lebensversicherung hat es sich noch nicht überall herumgesprochen. Das birgt Enttäuschungspotential.

Haben sich im vergangenen Jahr mehr als 800000 Sparer vertan? Wurden sie oder haben sie sich getäuscht? Kann gut sein, denn 2015 haben die deutschen Lebensversicherer 827000 fondsgebundene Kapitalversicherungen verkauft. Und kaum eine dieser Policen ist zum Aufbau einer Altersversorgung besser als ein schlichter Sparplan mit indexgebundenen Investmentfonds, den sogenannten ETF. Das Kürzel ETF (Exchange Traded Funds) steht für börsengehandelte Investmentfonds, die nichts anderes tun, als irgendeinen Index nachzubilden. Und da keine Fondsmanager am Werk sind, sind ETF preiswert.

Deshalb schätzen besonders institutionelle Anleger, zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, diese Fonds. Die Auswahl ist riesig, es gibt sie für Tausende von Indizes, für Aktien, Renten, Rohstoffe, Immobilien, bestimmte Strategien, bestimmte Branchen, bestimmte Länder und so fort. Und es gibt sie bei Brokern und Direktbanken zu geringen Kosten auch als Sparpläne. Oft sogar ganz ohne Gebühren. Mehr als 0,4 Prozent des eingesetzten Vermögens sollten sie im Jahr nicht kosten. Kein Zweifel: ETF-Sparpläne sind die kostengünstigste Form des systematischen Vermögensaufbaus.

Nur verpackt in eine Versicherungspolice

Das sieht bei fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen völlig anders aus. Auch die sind ökonomisch nichts anderes als Fonds-Sparpläne. Sie lassen sich also gut mit ETF-Sparplänen vergleichen. Sie sind nur verpackt in eine Versicherungspolice und versprechen dem Anleger im Fall der Rentenversicherung eine lebenslange Rente. Diese Verpackung hat so ihre Vor- und Nachteile. Der größte Nachteil sind die Kosten. Wie bei fast allen Versicherungsverträgen bekommt hier zunächst der Verkäufer seine Provision. Das sind meist vier Prozent aller Beiträge, was sich bei 200 Euro im Monat und 30 Sparerjahren auf 2880 Euro addiert. Die sind mit der Unterschrift weg.

Mehr als ein Jahr wird für den Vermittler gespart. Insgesamt sind die Vertriebskosten noch höher. Daneben entstehen beim Versicherer durchschnittlich 0,22 Prozent des Vermögens als Verwaltungskosten, die ebenso jedes Fondsergebnis schmälern, wie auch die gut 1,5 Prozent des Vermögens, die die Fondsgesellschaft vor ihrer Ausschüttung abzieht. Dabei gibt es zwar sogenannte Kickbacks, also Provisionen der Fondsgesellschaft an die Versicherer, an denen meist auch die Versicherten beteiligt werden. Unter dem Strich aber kostet allein Fondsverwaltung schnell mehr ein Prozent des Vermögens im Jahr.

Denn wie das Schicksal es will, investieren fondsgebundene Kapitalversicherungen in teuer gemanagte Fonds. Die Kosten für Fondsverwaltung, Policenverwaltung und Vertrieb addieren sich in der fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung auf rund zwei Prozent des Vermögens im Jahr: Von beispielsweise fünf Prozent Marktrendite bleiben dann drei Prozent, von drei ein Prozent und ab zwei Prozent Marktrendite macht die fondsgebundene Rentenversicherung Verlust. Der ETF-Sparplan rentiert sich dann noch fröhlich mit 1,6 Prozent.

Versicherungsverpackung hat Steuervorteile

Aber die Versicherungsverpackung hat Steuervorteile. Die werden von den Verkäufern der Fondspolicen gerne herausgeputzt. Es sind die Steuervorteile aller kapitalbildenden Lebensversicherungen: Bei neuen Verträgen verschont der Fiskus am Ende steuerlich die Hälfte der Überschüsse. Unter der Voraussetzung allerdings, dass der Vertrag zwölf Jahre bestanden hat und erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres des Anlegers endet. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, gilt für die Versteuerung der halben Überschüsse der persönliche Steuersatz.

Wenn nicht, gilt genau wie beim Sparplan für die gesamten Überschüsse die übliche Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich des Solidaritätszuschlages. Das sind unter dem Strich 26,375 Prozent. Steuervergleich Teil I: 26,375 Prozent auf alles beim Sparplan gegen 30, 35 oder vielleicht 40 Prozent auf die Hälfte. Je niedriger das Einkommen, desto größer das Plus der Fondspolice. Wenn denn dieselbe Summe zu versteuern wäre. Und genau dazu kommt es nicht.

Steuervergleich Teil II gilt für Behandlung der jährlichen Überschüsse: Hier hätten, sagen die Verkäufer von Fondspolicen, die Fondspolicen ihren unschlagbaren Vorteil, weil bei ihren Angeboten alle jährlichen Überschüsse steuerfrei blieben. Das mit der Steuerfreiheit stimmt, allerdings nur bis zur Auszahlung einer Ablaufleistung. Dann greift der Fiskus zu. Das mit dem Vorteil, der ja nur eine Steuerstundung bis zum Ablauf ist, relativiert sich schnell, wenn der Inhaber von Sparplänen noch über seinen Sparerfreibetrag von 801 Euro im Jahr verfügt. Dann richtet die Quellensteuer keinen Schaden an.

Angeblich unschlagbarer Vorteil der Fondspolicen ist so unschlagbar nicht

Und dann gibt es ja noch thesaurierende ETF, die ihren Index synthetisch nachbilden. Das klingt nach Finanzchemie, ist aber weit verbreitete Routine. Bei diesen Fonds entstehen statt der jährlich zu versteuernden „ausschüttungsgleichen Erträge“ im ETF Kursgewinne, die erst beim Verkauf der Anteile versteuert werden. „Hier findet – zumindest bis zu der ab 1. 1. 2018 umzusetzenden Investmentsteuerreform – das sogenannte Fondsprivileg Anwendung. Es kann zu einem Steuerstundungseffekt beziehungsweise einem Barwertvorteil führen“, erläutert Frank Aussendahl, Partner der KPMG AG. Selbst ohne Sparerfreibetrag sind dann ETF-Sparpläne steuerlich mit den fondsgebundenen Policen gleichauf. Der angeblich unschlagbare Vorteil der Fondspolicen ist so unschlagbar nicht.

Die dritte Strophe des Steuerliedes aller Verkäufer von Fondspolicen betrifft das Umschichten. Alle Fondswechsel sind bei den Policen der Versicherer steuerfrei. Erst beim Ablauf geht es um die Steuer. Beim Fondssparplan kann jederzeit und ohne jedes Problem die Anlage neuer Gelder gewechselt werden. Das Vermögen steuert dann um. Umschichtungen sind dagegen Verkäufe, deren Gewinne mit der Abgeltungsteuer belegt werden. Dann entschwinden 26,375 Prozent der erwirtschafteten Überschüsse. Die solchermaßen versteuerten Überschüsse sind aber in der Endabrechnung frei. Auch hier handelt es sich beim Vorteil der Fondspolice nur um Steuerstundung und nicht um Steuerermäßigung oder -freiheit. Der Effekt ist damit begrenzt.

Teil IV des Steuerkapitels betrifft Renten, die statt einer Ablaufleistung aus der fondsgebundenen Rentenversicherung gezahlt werden. Unter denselben üblichen Voraussetzungen (12 Jahre/62. Lebensjahr) werden nur die sogenannten Ertragsanteile der Rente besteuert. Diese Ertragsanteile sind gesetzlich festgelegt und reduzieren sich mit dem Alter bei Rentenbeginn. Mit 62 beläuft sich der Ertragsanteil auf 21 Prozent, mit 67 auf 17 Prozent der gesamten Rente. Der Steuersatz entspricht wieder dem persönlichen. Das sieht im Vergleich mit dem ETF-Sparplan nach einem Vorteil für die Fondspolice aus. Der Vorteil ist aber schnell wieder weg, weil zunächst die hohen Kosten die Rente schmälern und ihr dann die sehr, sehr vorsichtig kalkulierte Lebenserwartung der Versicherer den Rest gibt. Besonders Männer leben bei gleicher zu verrentender Summe mit einem schlichten Entnahmeplan deutlich komfortabler als mit der steuerbegünstigten Rente vom Versicherer (Vermögensfrage vom 6. 5. 2016).

Bilanz ist im Vergleich zu ETF-Sparplänen miserabel

Unter dem Strich retten ihre Steuervorteile die fondsgebundene Lebensversicherung nicht. Ihre Bilanz ist bei identischen Fondsergebnissen im Vergleich zu ETF-Sparplänen miserabel. Ihre Kosten sind einfach zu hoch. „FONDSprofessionell“, ein unabhängiges Finanzmagazin für Anlageberater, hat im April dieses Jahres nachgerechnet: Bei der Ablaufleistung schlug auch im ungünstigen Steuerfall ausgeschöpfter Sparerfreibeträge der ETF-Sparplan die fondsgebundene Lebensversicherung um Längen. Nach 30 Jahren mit einer Sparrate von je 2400 Euro kamen bei sechs Prozent Rendite der Aktienfonds nach Steuern beim Sparplan 156800 Euro auf den Tisch. Bei der üblichen fondsgebundenen Lebensversicherung waren es bescheidene 111800 Euro. Bei freiem Sparerfreibetrag war der Unterschied noch größer: 162300 Euro zu 112600 Euro.

Die lebenslange Rente, die das Magazin – ebenfalls nach Steuern – errechnete, demolierte den Sinn der fondsgebundenen Rentenversicherung vollends: Beim Sparplan kamen – wiederum bei ausgeschöpftem Sparerfreibetrag – 6622 Euro als Jahresrente zusammen, bei der fondsgebundenen Rentenversicherung nur 5474 Euro. Ohne ausgeschöpften Sparerfreibetrag wäre der Unterschied weitere 232 Euro größer geworden. Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen lohnen für die Altersvorsorge einfach nicht.

Keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt fondsgebundene Verträge, die es mit den ETF-Sparplänen aufnehmen und dann von ihren Steuervorteilen profitieren. Das sind genau die Policen, bei denen die Versicherer alle Kostenquellen verstopft haben: Sie zahlen den Vermittlern keine Provisionen, und sie legen das Geld in ETF und nicht in den teuer gemanagten Fonds an. Diese sogenannten Nettopolicen lagen im Vergleich von „FONDSprofessionell“ bei der Ablaufleistung nach Steuern faktisch gleichauf mit den ETF-Sparplänen, hatten aber bei der lebenslangen Rente mit 8218 Euro die Nase klar vorn.

Das Problem der Nettopolicen ist ein anderes: Keiner der rund 230000 Versicherungsvertreter und -makler wird sie auf den Tisch legen. Nur Versicherungsberater und Honorarberater bieten diese provisionsfreien Versicherungsverträge an. Die aber muss man erst finden, danach werden für die Beratung Honorare fällig. Zudem geben nicht alle Versicherer allen Versicherungs- und Honorarberatern Nettotarife an die Hand. Das Angebot ist begrenzt. „Finanztest“ zählte 2013 elf Lebensversicherer mit Nettotarifen. Elf von über 70. Die Versicherer und ihr Außendienst legen lieber ihre sündhaft teuren Standardverträge auf den Tisch. „Hier unterschreiben, bitte“. 2015 hat der Versuch über 800000 Mal geklappt.

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Author: Chrissy Homenick

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