Bankenpleite in den USA: Droht eine Finanzkrise? (2024)

Plötzlich ging alles zügig: Binnen weniger Tage verlor die Silicon Valley Bank (SVB) das Vertrauen von Anlegern und Kunden, am Freitag übernahm die US-Einlagensicherung FDIC die Kontrolle und schloss die Bank. Die Schockwellen reichten bis nach Deutschland. Droht eine neue weltweite Finanzkrise wie 2008?

Was machte die Silicon Valley Bank?

Das seit 1983 aktive Institut hat sich über die Jahre gewissermaßen zur «Hausbank der Tech-Industrie» entwickelt. DieSVBfinanzierte junge aufstrebende Firmen, der Boom der Start-up-Szene machte die Bank zu einer der größten Banken der USA. Zu den Kunden zählten Medienberichten zufolge auch Start-ups aus Deutschland.

Nach Angaben der FDIC verwaltete die Bank mit Hauptsitz in Kalifornien Ende Dezember Vermögenswerte im Volumen von 209 Milliarden Dollar und hatte rund 175,4 Milliarden Dollar an Kundeneinlagen. Mit einer Bilanzsumme von etwa 200 Milliarden Euro sei dieSVB«so groß wie eine deutsche Landesbank, aber nur ein Zehntel so groß wie die größte US-Bank, JP Morgan», ordnete die «Süddeutsche Zeitung» ein.

Wie kam es zum Kollaps?

Überspitzt könnte man sagen: DieSVBhatte zu viel Geld und hat das ungünstig angelegt. Die Bank investierte in Zeiten niedriger Zinsen in US-Staatsanleihen sowie in mit Immobilien besicherte Wertpapiere mit langer Laufzeit. Doch dann erhöhte die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen rasant. Viele Wertpapiere, die dieSVBin der Niedrigzinsphase erworben hatte, verloren erheblich an Wert.

Zugleich war dieSVBgezwungen, Anlegern höhere Zinsen zu bieten, damit diese ihre Gelder nicht abziehen. Mit dem Verkauf von Anleihen machten dieSVBjüngst 1,8 Milliarden Dollar Verlust. Der Versuch, über die Ausgabe neuer Aktien frisches Geld bei Investoren einzusammeln, sorgte für weitere Verunsicherung. Allein am Donnerstag brach dieSVB-Aktie an der Wall Street um gut 60 Prozent ein.

Hat die Silicon Valley Bank Ableger in Deutschland?

Seit dem 30. Mai 2018 hat die Silicon Valley Bank eine Niederlassung in Deutschland und betreibt von Frankfurt/Main aus Kreditgeschäft. Am Montag schloss die Finanzaufsicht Bafin die Silicon Valley Bank Germany Branch mit sofortiger Wirkung für den Kundenverkehr und erließ ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot. Zugleich erklärte die Bafin:

Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar.

Wie reagierte die Bundesbank?

Die Bundesbank reagierte auf Medienberichte, wonach der Krisenstab der Notenbank sich am Montag mit möglichen Auswirkungen des Zusammenbruchs derSVBin den USAauf den deutschen Finanzmarkt befasst hat, mit einer schriftlichen Stellungnahme:«Im Rahmen ihres Finanzstabilitätsmandats gehört es zur laufenden Arbeit der Bundesbank, aktuelle Marktentwicklungen zu beobachten und deren Auswirkungen auf das Finanzsystem zu analysieren. Dabei steht die Bundesbank in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.»

Droht ein Finanz-Szenario wie in 2008?

Experten halten dies aktuell für unwahrscheinlich. Zwar wecken die Probleme derSVBund anderen Geldhäusern Erinnerungen an den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, der als Auslöser der globalen Finanzkrise vor etwa 15 Jahren gilt. Allerdings gibt es wichtige Unterschiede: So ist dieSVBzwar kein kleines Institut, nach Bilanzsumme rangiert sie an Platz 16 aller US-Banken.

Allerdings ist dieSVBbei Weitem nicht so groß, wie es Lehman 2008 gewesen ist. Hinzu kommt, dass dieSVBein auf Risikokapital und Start-ups in der Technologiebranche spezialisiertes Geldhaus ist, wohingegen die Bedeutung von Lehman für das Finanzsystem wesentlich größer war.

Genug gelernt aus der letzten Finanzkrise?

Zudem sind seit der Finanzkrise zahlreiche Sicherungsmaßnahmen beschlossen worden, die eine Wiederholung damaliger Geschehnisse verhindern sollen. «Politik, Zentralbanken und Finanzmarktteilnehmer haben gelernt», erklärt etwa Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann.

Insbesondere existierten heute Instrumente zur Eindämmung solcher Krisen, die nach 2008 erst geschaffen werden mussten. «Und weil sie damals nicht existierten, waren die Ansteckungseffekte damals höher als sie es heute sein dürften», ordnet Leuchtmann ein.

Der künftige Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, rät im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) dennoch zu Wachsamkeit angesichts des historischen «Zins-Schocks»: «Spätestens jetzt ist allen klar: Im Finanzsystem entstehen wegen der steigenden Zinsen enorme Verluste, vor allem bei lang laufenden Anleihen und Immobilienkrediten. Manche Banken können die aussitzen. Brenzlig wird es, wenn Kunden ihr Geld kurzfristig abziehen können. Dann können die Verluste so hoch sein, dass die Bank zahlungsunfähig wird, wie in Amerika geschehen.»

Verlieren Kunden der Bank jetzt Geld?

In den USA verkündete die Regierung eine Absicherung aller Einlagen bei dem Geldhaus. Finanzministerin Janet Yellen, Notenbankchef Jerome Powell und die US-Einlagensicherung FDIC gaben am Sonntagabend (Ortszeit) in einer gemeinsamen Stellungnahme bekannt, alle Einleger würden vollständig geschützt und könnten ab Montag auf ihr gesamtes Geld zugreifen:

Der Steuerzahler wird keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen müssen.

US-Präsident Joe Biden bekräftigte am Montag: «Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass das Bankensystem sicher ist.» Kunden, die ihr Geld bei den über das Wochenende geschlossenen Geldhäusern Silicon Valley Bank und Signature Bank angelegt hatten, seien geschützt und hätten Zugang zu ihren Ersparnissen. Die Investoren, die hinter den Banken stünden, müssten ihre Verluste hingegen selbst tragen. Außerdem würden die Manager der unter staatliche Kontrolle gestellten Geldinstitute entlassen, kündigte Biden an.

Die britischeSVB-Tochter wurde unterdessen von der Großbank HSBC übernommen. Die britische Regierung teilte am Montagmorgen mit, die Transaktion sei «von der Bank of England in Absprache mit dem Finanzministerium erleichtert» worden. «Es sind keine Steuergelder beteiligt, und Kundeneinlagen wurden geschützt», hieß es in London.

Wie ist die Stimmung auf den Finanzmärkten?

Schon in der vergangenen Woche gaben Kurse von Bankaktien – auch deutscher Institute – deutlich nach. Am Montagvormittag gingen die Aktienbörsen in Europa erneut auf Tauchstation. Der Dollar geriet unter Druck, die Kapitalmarktzinsen gaben nach.

Wird Fed weiterhin bei ihrer Zinspolitik bleiben?

Seit Frühjahr 2022 hat die Fed die Zinsen in den USA um 4,5 Prozentpunkte erhöht. Stark steigende Zinsen bringen auch Nebeneffekte mit sich, wie der FallSVBnun zeigt. Diese grundlegende Problematik, die auch andere Geldhäuser betreffen kann, dürfte der Fed zu denken geben. Andererseits hat die Fed am Wochenende ein neues Kreditprogramm aufgelegt, über das sich Banken zu günstigen Konditionen frisches Geld besorgen können.

  • Hintergrund: Lagarde: EZB behält Zinserhöhungskurs bei

Die Notenbank scheint also zunächst andere Wege gehen zu wollen, als ihren Zinskurs zu ändern. Auswirkungen auf die nächste Zinssitzung, die bereits in gut einer Woche stattfindet, sind dennoch denkbar: So erwartet etwa die US-Bank Goldman Sachs angesichts der Unsicherheit im Bankensektor zunächst eine Zinspause. In den Folgemonaten werde die Fed ihren Straffungskurs aber fortsetzen, schreiben die Analysten. dpa/CC

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